Herr Generalkonsul Kimura veröffentlicht Leitartikel zum Thema "Die Bedeutung der Olympischen und Paralympischen Spiele 2020 in Tōkyō" im JDZB-Echo des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin (Juni 2020)

2020/6/3
バイエルン州内務省 Foto: Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration

Im März dieses Jahres wurde die Austragung der Olympischen und Paralympischen Spiele 2020 in Tōkyō auf das Jahr 2021 verschoben. Das tut mir vor allem für die Athleten von Herzen leid, die sich mit Blick auf den Sommer dieses Jahres auf eine Teilnahme vorbereitet haben. Das, was die Olympischen und Paralympischen Spiele ausmacht, entsteht aber erst aus dem Zusammenspiel aller Beteiligten, seien dies die Sportler, die Zuschauer oder auch die zahlreichen Ehrenamtlichen. Auch sind es nicht nur die Spiele selbst: Der Prozess der Vorbereitung und Gestaltung der Spiele sowie das Vermächtnis, das die Spiele hinterlassen, sind ebenfalls wichtige Bestandteile der Olympischen und Paralympischen Bewegung. Betrachtet man die Angelegenheit von diesem Standpunkt aus, dann ist die Verschiebung auf das nächste Jahr zwar bedauerlich, die Bedeutung der Spiele aber bleibt. Doch zunächst zur Bedeutung der Tōkyōter Spiele für den Sport in Japan.
 
Als die Japan Sports Agency im Jahr 2015 gegründet wurde, wurde ich vom Japanischen Außenministerium auf den Posten des Director General entsandt. Erst durch meine Tätigkeit für die Agency wurde mir bewusst, dass der Sport durch viele Menschen gefördert, über eine lange Geschichte verfügt, Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklung hat und ihm eine wichtige Rolle zukommt. Ein Beispiel sind die Olympischen Spiele 1964 in Tōkyō, die eine große Bedeutung für Japans Gesellschaft hatten. Erstmals wurden Piktogramme eingesetzt, der Shinkansen brachte einen Modernisierungsschub und die Abschlussfeier, bei der sich die Athleten aus aller Welt mischten, war für alle sehr bewegend. Man könnte an dieser Stelle unzählige weitere Beispiele anführen. Eines, das hier Erwähnung finden sollte, ist das im Vorfeld der Spiele 1961 erlassene Gesetz zur Förderung des Sports.
 
50 Jahre nach Verabschiedung dieses Gesetzes wurde 2011 der Basic Act on Sports erlassen. Kurz danach fiel 2013 die Entscheidung für eine Austragung der Olympischen und Paralympischen Spiele im Jahr 2020 in Tōkyō, 2015 übernahm die vom Ministerium für Erziehung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie (MEXT) neugegründete Japan Sports Agency die Federführung im Bereich des Sports. Um bei der Förderung des Sports eine konkrete Richtung vorzugeben, wurden folgende Ziele gesetzt: 1) Selbstverwirklichung durch Sport, 2) gesellschaftliche Entwicklung durch Sport, 3) Förderung der internationalen Beziehung durch Sport, und 4) Zukunftsgestaltung durch Sport.
 
Mit der Vision „Sport hat die Kraft, die Welt und die Zukunft zu verändern“ wurde das Ziel für die Tōkyōter Spiele 2020 vorgegeben, mehr als eine einmalige Veranstaltung zu sein und ein Vermächtnis für die Zukunft zu hinterlassen. Zu diesem Zweck wird eine Mitwirkung möglichst vieler Menschen in Japan, aber auch weltweit angestrebt. So wird im Vorfeld der Spiele bereits seit 2014 das internationale Austauschprogramm „Sport for Tomorrow“ durchgeführt, das mehr als 10 Millionen Menschen durch den Sport verbindet. Im Rahmen dieses Projektes kooperieren Sportverbände, Bildungseinrichtungen, Unternehmen und NGOs mit der Regierung für die Förderung des Sportaustausches. Besonderer Erwähnung wert bei diesem Austauschprogramm ist, dass unter dem Gesichtspunkt „Sport für Frieden und Entwicklung“ auch Projekte durchgeführt wurden, wie beispielsweise die Gründung einer Sportakademie in Bosnien-Herzegowina, wo Kinder verschiedener Ethnien künftig gemeinsam Sport treiben. Im Rahmen der „Host Town Initiative“ werden zudem personelle, wirtschaftliche und auch kulturelle Austauschprojekte von japanischen Gemeinden mit ausländischen Partnern gefördert.
 
Für die Tōkyōter Spiele selbst wurden folgende Zielvorgaben formuliert:

  1. Gesundheitsförderung durch Sport
  2. Förderung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und Verwirklichung einer inklusiven Gesellschaft
  3. Realisierung umweltfreundlicher und nachhaltiger Spiele
  4. Realisierung bildungsgerechter Spiele durch Förderung der Teilnahme von Kindern und Jugendlichen
  5. Förderung des Wiederaufbaus der von Naturkatastrophen betroffenen Regionen, beispielsweise Ostjapan, das von Erdbeben und Tsunami heimgesucht worden war
 
Zur Realisierung der Nachhaltigkeit werden beispielsweise im Projekt „unser aller Medaillen“ die olympischen Medaillen aus recycelten Metallen hergestellt. Für das olympische Feuer und auch, um das olympische Dorf mit Strom und Wärme zu versorgen, kommt zum ersten Mal die Wasserstofftechnologie zum Einsatz, und für den Transport der Athleten werden Brennstoffzellenfahrzeuge Verwendung finden, deren Wasserstoff mittels erneuerbarer Energien in Fukushima erzeugt wird. Ein weiteres wichtiges Ziel der Tōkyōter Spiele ist es, sie „sauber und fair“ zu gestalten: 2018 wurde das Anti-Doping-Gesetz erlassen und um mit gutem Beispiel voranzugehen, verschärfte Japan die entsprechenden Maßnahmen und führt die internationale Aufklärungskampagne „Play True 2020“ zur Förderung des Fair-Play-Gedankens durch.
 
Auf deutsch-japanischer Ebene wurde in den 70er Jahren mit einem Jugend-Sportaustausch-Programm begonnen, im Rahmen dessen bereits mehr als 10.000 Jugendliche das jeweils andere Land besuchen konnten. Ich habe letztes Jahr in München an einer Judo-Wettkampfveranstaltung für Menschen mit geistiger Behinderung teilnehmen können. Ich denke, wir können viel von deutschen Erfahrungen lernen. Für den Juni war unter Beteiligung des JDZB die Tagung „Sportrecht in Deutschland und Japan im Vergleich“ geplant, die verschoben werden musste. Es ist aber sicherlich sinnvoll, Diskussionen auf bilateraler Ebene hier weiter zu vertiefen. Nicht zuletzt steht 2022 auch das 50jährige Jubiläum der Austragung der Olympischen und Paralympischen Spiele in den Partnerstädten München und Sapporo bevor.
 
Im März traf das Olympische Feuer für die Spiele 2020 in Japan ein. Premierminister Abe äußerte sich zur Verschiebung der Spiele auf nächstes Jahr folgendermaßen: „Das Olympische Feuer kann der Welt in diesen schwierigen Zeiten als Hoffnungsstrahl am Ende des langen dunklen Tunnels dienen. Zum Zeichen, dass die Menschheit den Corona-Virus überwinden konnte, möchten wir die Olympischen und Paralympischen Spielen im nächsten Jahr dann erst recht zu einem großen Erfolg machen.“
 
Die Freude an den Olympischen und Paralympischen Spielen lässt sich auf das Vergnügen zurückführen, den sportlichen Höchstleistungen der Athleten als Zuschauer beizuwohnen sowie den Sport mit eigenen Aktivitäten zu unterstützen. In diesem Sinne freue ich mich bereits jetzt darauf, die Olympischen und Paralympischen Spiele in Tōkyō im nächsten Jahr mit Ihnen allen gemeinsam genießen zu können!
 
KIMURA Tetsuya, Japanischer Generalkonsul in München